Am Ende des Schuljahres bekamen alle Schüler*innen wie immer neben dem schriftlichen Zeugnis auch ihren ganz persönlichen Zeugnisspruch.
Mit dem Zeugnis, beginnend am Ende der 1. Klasse, bekommt jeder Schüler und jede Schülerin bis zur 12. Klasse einen persönlichen Zeugnisspruch. Von Rudolf Steiner wurde dieser Zeugnisspruch auch als eine Art „Lebensgeleitspruch“ bezeichnet. Er wird vom Klassenlehrer oder von der Klassenlehrerin ausgewählt bzw. auch ganz neu geschrieben und richtet sich direkt an den Schüler oder die Schülerin. Der Zeugnisspruch soll also im Gegensatz zum Zeugnis stehen, das in erster Linie ein Entwicklungsbericht für die Eltern ist. Er bezieht sich in Form und Inhalt auf die menschenkundliche Entwicklungssituation und die anstehenden Themengebiete des kommenden Schuljahres. Der Zeugnisspruch hat ein Motiv zum Inhalt, das die Schüler*innen in ihren Stärken oder in ihrem Denken und Handeln beschreibt und gegebenenfalls auch einen dezenten Hinweis auf ein persönliches Entwicklungsfeld enthält.
Alle Schüler*innen tragen ihren Spruch das ganze Schuljahr hindurch einmal in der Woche vor, vielleicht sogar am jeweiligen Wochentag ihrer Geburt. Durch den langen Zeitraum der Beschäftigung mit dem Spruch und durch die kleinen und unterstützenden Hinweise zur sprachlichen Gestaltung, unterstützt durch sprachunterstützende Gebärden oder auch durch Zuhilfenahme eines Talkers oder entsprechender Piktogramme, entsteht eine tiefe, prägende Verbindung aller Schüler*innen mit „ihrem“ Zeugnisspruch und ein langes, wenn auch meist unbewusstes Nachklingen des behandelten Themas.
Das Vortragen der Zeugnissprüche ist ein festes Ritual, das von jedem Klassenlehrer und jeder Klassenlehrerin individuell und daher unterschiedlich gestaltet wird. Dabei herrscht in der Klasse eine besondere Ruhe und Stimmung. Die Schüler*innen kommen durch das morgendliche Ritual auch innerlich im Unterricht an und der Hauptunterricht kann beginnen.
Wie schön ist es, wenn nach den Sommerferien, der ein oder andere Schüler oder die ein oder andere Schülerin bereits den eigenen Zeugnisspruch mit den Eltern gelesen oder sogar geübt hat und somit den eigenen Spruch erkennt. Denn es ist jedes Schuljahr neu aufregend vor der eigenen Klasse den Spruch vorzutragen, der durch das kommende Schuljahr trägt.